Fernweh. Das Gefühl einfach mal raus zu müssen. Weg von allem Altbekannten, neue Erfahrungen sammeln, neue Leute kennenlernen. Ein Gefühl, das wohl jeden ab und zu überfällt. Aber wer hat schon die Zeit oder das Geld, mehrmals im Jahr an immer exotischere Orte auf der ganzen Welt zu reisen? Lassen sich Urlaub und Alltag nicht irgendwie verbinden?
Globalisierung sei Dank, haben wir heute alle Möglichkeiten der Welt, unser Zuhause kurzzeitig an einen anderen Ort zu verlegen, ohne dabei unser bisheriges Leben zu unterbrechen. Auch wenn eine Pause von allem manchmal reizvoll erscheint – das Leben im Ausland hat doch viele Vorteile: Du kommst automatisch mit dem „echten“ Leben und den Menschen vor Ort in Kontakt, Du lernst die Sprache und die Kultur des Landes kennen und Du bekommst garantiert Orte zu sehen, die Dir während einer 2-wöchigen Rundreise wahrscheinlich keiner gezeigt hätte. Und das Beste an allem: Du wird dafür meist auch noch bezahlt. Nicht nur, dass das Leben wesentlich billiger wird, wenn man in einer WG statt im Hotel wohnt, im Supermarkt einkaufen kann und hoffentlich irgendwann die Tricks der Touristen-Abzocke durchschaut hat – auch gibt es gerade für Studenten unglaublich viele Förderungsprogramme oder Zuschüsse für einen Auslandsaufenthalt, die Du auf jeden Fall nutzen solltest.
Viele von ihnen habe ich persönlich getestet und hier mal eine kleine Liste zusammengestellt:
Auslandssemester mit Erasmus
Wer mit dem Erasmus Programm ins Ausland gehen möchte, hat eine große Sicherheit bezüglich finanzieller Unterstützung, Anerkennung der Kurse und der nicht vorhandenen Studiengebühren. Es gibt einen geregelten Ablauf der Bewerbungsfristen, Zusagen und der Umrechnung der Credits. Du solltest diese Infos vorab auf der Homepage Deiner Uni zu Hause checken und Dich bei Fragen an das International Office wenden, wo Du auch Deine Bewerbung abgibst. Erasmus unterstützt 2-12 Monate Auslandssemester plus ein eventuelles Praktikum im Ausland von sechs Monaten direkt im Anschluss. Der Aufenthalt darf allerdings nicht durch ein Semester unterbrochen werden – pro Studium ist nur ein Aufenthalt möglich.
Ich konnte von 2012 bis 2013 zwei Semester in Schweden, in Umea verbringen und war wirklich begeistert von der Organisation. Du wählst ein paar Monate vor Beginn des Semesters online Deine Kurse aus, lässt sie von den Professoren zu Hause bestätigen und kommst dann mit Deinem Transcript of records zurück, wo alle Noten aufgelistet sind. Diese werden umgerechnet und vom Prüfungsamt eingetragen. Erasmus bietet außerdem finanzielle Unterstützung, die abhängig vom Zielland ist. Allerdings werden 80% der Summe auf einmal ausgezahlt und die restlichen 20% wenn Du wieder zu Hause ist und brav Deinen Erfahrungsbericht eingereicht hast. Die Studiengebühren an den gewünschten Unis fallen aber auf jeden Fall weg. Auch Auslandsbafög kannst Du bei Bedarf parallel beantragen.
Auslandssemester an einer Partneruniversität
Möchtest Du lieber an einer Uni außerhalb Europas studieren, oder hast Deine zwei Semester Erasmus schon aufgebraucht, was bei mir beides der Fall war, kommen nur noch andere Partnerprogamme infrage. Am einfachsten ist es, Dich über Partneruniversitäten Deines Fachbereiches zu informieren und Dich darüber für den Austausch zu bewerben. Die einzige Partneruni in Mexiko, die für meinen Studiengang infrage kam war die Universidad de las Americas in Puebla. Auch hierfür fielen dank Partnerprogramm die Studiengebühren weg. Anders hätte ich mir eine der teuersten Unis Lateinamerikas wohl auch kaum leisten können. Eigentlich unterscheidet sich das Partnerprogramm kaum von Erasmus. Man bekommt ebenfalls eine Kursliste, Housing Angebote und weitere Infos zum Ablauf von der Wunschuniversität. Das International Office hat mich gleichzeitig über alternative Stipendien beraten. Für Lateinamerika kommt dafür z.B. das DAAD Stipendium infrage, welches ich genutzt habe. Auch hier wurde mir fast die gesamte Summe zu Beginn ausgezahlt, Du musst Dir das Geld also gut einteilen. Allerdings solltest Du Dir gut überlegen, ob Du für ein oder zwei Semester ins Ausland möchtest, da das Stipendium im Nachhinein nicht mehr verlängert werden kann. Ich war mir blöderweise zu Beginn sehr sicher, nur ein Semester in Mexiko verbringen zu wollen und stand dadurch dann im zweiten Semester ohne Unterstützung da.
Was mich jedes Mal wieder geärgert hat, war der Hinweis, dass man Auslandsbafög beantragen sollte, auch wenn man an der Heimuni nicht durch Bafög gefördert wird. Ich habe beide Male die Antwort vom Bafögamt bekommen, dass für beides dieselben Voraussetzungen gelten. Bis jetzt hat mich noch niemand richtig darüber aufklären können.
Auslandssemester als Freemover
Etwas komplizierter wird das Ganze, wenn Du eine bestimmte Uni ins Auge gefasst hast, die leider nicht mit der Eigenen kooperiert. Aus Erzählungen von anderen Studenten habe ich erfahren, dass das aber weniger ein Problem der Anerkennung der Credits ist, als der finanziellen Situation. In fast allen Ländern gibt es horrende Studiengebühren, die Du als Free Mover selbst übernehmen musst. Dafür gibt es zwar auch Stipendien, die aber kaum ausgleichen können, wofür die Familien der Studenten vor Ort meist schon deren ganzes Leben lang sparen. Außerdem findest Du weniger Erfahrungsberichte bezüglich der Kurse, die Du anstelle bestimmter Kurse zu Hause belegen könntest und Du musst von Wohnungssuche bis zur Bewerbung bei der jeweiligen Uni alles selbst organisieren.
Auslandspraktikum
Es gibt inzwischen unzählige Agenturen, die Praktika im Ausland vermitteln. Oft ist das mit hohen Gebühren verbunden, sodass Du am Ende für ein unbezahltes Praktikum auch noch Geld bezahlen musst. Es gibt allerdings Förderprogramme wie, mal wieder, Erasmus die bestimmte Praktikumsplätze fördern. Da in meinem Studiengang ein Pflichtpraktikum vorgesehen war, war es erstens leichter einen Praktikumsplatz im Ausland zu finden (auf die Aushänge im International Office achten) und zweitens lief die Förderung reibungsloser ab.
Ich wurde für mein Praktikum bei einer NGO in Madrid zwar nicht direkt bezahlt, erhielt aber monatliche Unterstützung von der DAAD Stiftung und musste im Gegenzug dazu wöchentliche Erfahrungsberichte abliefern, was mir am Ende auch noch ein Zertifikat über interkulturelle Kompetenz einbrachte. Meine Erfahrung ist, dass man für ein Praktikum eine wesentlich bessere finanzielle Unterstützung erhält, als für ein Auslandssemester, aber das ist auch immer davon abhängig, wie viele Studenten deiner Uni die Förderung in diesem Semester in Anspruch nehmen.
Freiwilligenarbeit
Auch bei der Freiwilligenarbeit ergibt sich oft das Problem, eine Menge Geld zahlen zu müssen, um sich für ein paar Wochen freiwilliger Helfer in verschiedenen Projekten mit Kindern oder im Naturschutz nennen zu dürfen. Den Großteil dieses Geldes streichen die Agenturen selbst ein, nur ein Bruchteil kommt dem Projekt, oder den Familien bei denen Du während Deines Aufenthalts lebt, zugute. Es gibt allerdings die Möglichkeit, über staatlich geförderte Organisationen wie weltwärts in Ausland zu gehen. Hier kannst Du sichergehen, in sinnvolle Projekte vermittelt zu werden, Du wirst in Seminaren vorbereitet und das Programm ist kostenlos. Es wird allerdings erwartet, dass Du Dich schon im Vorfeld für Dein Projekt engagierst und eventuell Spenden bei Freunden und Familie sammelst.
Ich habe während meiner Freiwilligenarbeit Englisch in einer Grundschule in Ghana unterrichtet und bei einer Familie im Dorf gelebt, die auch für meine „Verpflegung“ zuständig war. Da Du bei der Freiwilligenarbeit verständlicherweise oft in sehr arme Gebiete vermittelt wirst und unter einfachsten Bedingungen mit den Menschen dort zusammenlebst, war diese Art von Auslandsaufenthalt für mich einer der größten Kulturschocks, aber persönlich auch die größte Bereicherung.
Work & Travel Aufenthalt
Mit Work & Travel in Australien fing bei mir im Jahr 2007 alles an und es ist immer noch der Auslandsaufenthalt, der mich am meisten geprägt hat. Es gibt nichts Besseres, als direkt nach der Schule erst einmal ins kalte Wasser geworfen zu werden und auf sich allein gestellt zu sein. Bei einem Work & Travel wirst Du unzählige Möglichkeiten finden, Dich über Wasser zu halten. Von Flyer verteilen bis zum monatelangen Fruitpicking auf verschiedenen Farmen war bei mir alles dabei und in jedem größeren Hostel gab es einen Job Desk um Jobs an Backpacker zu vermitteln. In Australien gibt es außerdem die Harvest Hotline, bei der Du Dich immer informieren kannst, in welchem Teil des Landes gerade viel zu ernten ist.
Allerdings ist der Ansturm von Backpackern in Australien in den letzten Jahren enorm gestiegen und die Jobs sind immer härter umkämpft. Andere beliebte Länder, die Du mit einem Work & Travel Visum bereisen kannst, sind beispielsweise Kanada oder Neuseeland. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, diesen Aufenthalt auf eigene Faust zu planen und nicht mit einer Agentur. Die Beantragung des Visums ist unkompliziert und auch vor Ort findest Du Dich schnell selbstständig zurecht, da diese Länder auf Worktraveler eingestellt sind.
Wwoofing
Wwoofing ist für mich eine Mischung aus Work & Travel und Couchsurfing. Du wohnst umsonst bei einer Familie, bekommst dort auch Verpflegung und musst im Gegenzug auf der Farm oder im Garten aushelfen. Ich finde es etwas ungeeignet, wenn Du länger in einem Land bleiben möchtest, da Du so kein Geld für weitere Reisen sparen kannst. Aber Du gibst wenigstens auch keines aus.
Au-Pair
Und fast zum Schluss: der altmodische Au-Pair Aufenthalt. Schon meine Mutter war zu ihrer Zeit als Au Pair im Ausland und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das heutzutage eigentlich keiner mehr macht. Ich habe es in Australien für einige Monate ausprobiert und persönlich keine guten Erfahrungen gemacht. Das hängt natürlich immer sehr von der Familie ab, in der Du landest, aber auch von anderen Au Pairs habe ich immer wieder dieselben Geschichten gehört: Du wirst eher wie ein Dienstmädchen als wie ein Familienmitglied behandelt, für die Verpflegung kommt natürlich die Gastfamilie auf… aber wehe Du möchtest eine andere Sorte Frühstücksflocken, als der Rest der Familie. Das hast Du dann selbst zu bezahlen. In der Freizeit einfach mal zu Hause chillen? Unmöglich. Die Kinder wissen ja leider nicht, dass Du gerade „frei“ hast und möchten trotzdem beschäftigt werden. Ein Au-Pair Aufenthalt ist eine gute Möglichkeit, erst einmal in einem Land anzukommen und sich mit der Lebensart vertraut zu machen, mir persönlich wäre es allerdings auf Dauer zu langweilig geworden.
Sprachkurs
Egal ob Du 15 oder 65 bist, Student bist oder arbeitest – ein Sprachkurs geht immer. Als Arbeitnehmer kannst Du dafür sogar finanzielle Unterstützung oder in einigen Bundesländern Bildungsurlaub beantragen. Außerdem lässt sich der Aufenthalt als Weiterbildungsmaßnahme von der Steuer absetzen. Das lohnt sich, denn Sprachschulen im Ausland sind teuer. Geld kannst Du sparen, indem Du im Studentenwohnheim statt mit einer einheimischen Familie wohnst (super für soziale Kontakte, allerdings schlecht für die Sprachverbesserung wenn Du nicht gerade Englisch lernen willst) und Gruppen- statt Einzelunterricht nimmst.
Schüleraustausch
Der Schüleraustausch ist eine der besten und ersten Gelegenheiten, um selbstständig zu werden und eine neue Kultur kennenzulernen. Allerdings bist Du hier natürlich trotzdem noch sehr behütet und in Deine Gastfamilie integriert. Der große Vorteil zu späteren Auslandsreisen ist, dass Du oft der einzige Austauschstudent in Deiner Klasse oder Schule bist und dadurch gezwungen wirst, Dich anzupassen und die Landessprache zu lernen.
Es gibt sicher noch unzählige andere Möglichkeiten, für längere Zeit im Ausland zu leben, aber das waren die Alternativen, mit denen ich mich am besten auskenne. Zu einigen von ihnen werde ich sicher auch noch einen detaillierteren Artikel veröffentlichen.