Endlich einmal den Norden Mexikos durchqueren und mit dem Chepe Train durch den Copper Canyon reisen. Fünf Tage wilder Westen. Das wollten wir uns gönnen, kurz bevor das zweite Semester in Mexiko starten sollte. Von Los Mochis aus, hoch nach Chihuahua oder umgekehrt, fährt die alte Eisenbahn mitten durch die atemberaubende Kupferschlucht Barrancas del Cobre, eine der tiefsten Schluchten der Erde, vorbei an Marihuana-Feldern und Goldgräberstätten. Die Fahrt gilt als spektakulärste Eisenbahnfahrt der Welt. Dazwischen kannst Du beliebig oft an einem der sieben Bahnhöfe aussteigen und mehrere Tage lang die verschiedenen Gegenden erkunden. Ich zeige Dir, welche Stopps sich lohnen und was Du auf dem Weg alles erleben kannst.
Der Copper Canyon
Je nachdem, ob Du Deine Reise im Süden, in Los Mochis, startest oder in Chihuahua im Norden, fährst Du die 650 Kilometer lange Strecke entweder nach oben oder nach unten. Dabei geht es insgesamt auf bis zu 2400 Meter Höhe. Aussteigen kannst Du, wo und wann Du möchtest. Es ist auch möglich einen Teil der Strecke mit dem Bus zurückzulegen oder nicht die gesamte Fahrt vom Anfang bis zum Ende zu machen. Ich finde aber es lohnt sich, da die Zugfahrt an sich die eigentliche Attraktion ist. Wir entschieden uns für den Start in Los Mochis und buchten unseren Rückflug nach Mexiko-Stadt von Chihuahua. Leider startet die billigere, zweite Klasse in Los Mochis aber nur jeden zweiten Tag und das war natürlich nicht der Tag, an dem wir starten wollten. Also genehmigten wir uns einen Tag in der Luxusklasse, bis zu unserem ersten Stopp in Bahuichivo.
El Chepe: Die Stationen
Wir hatten fünf Tage Zeit und wollten daher nicht mehr als zwei Stopps machen. Mit einem obligatorischen einstündigen Fotostopp bei Divisadero machten wir also dreimal Halt. Am Anfang verbrachten wir zusätzlich einen Tag in Los Mochis und am Ende zwei Tage in Chihuahua. Für mich war es die optimale Zeit, um jeden Aufenthalt ausnutzen zu können.
1. Los Mochis
Den Tag vor unserer ersten Zugfahrt verbrachten wir in der kleinen Stadt Los Mochis. Ein Tag ist hier mehr als genug, da es nicht viel zu sehen gibt. Ich war überrascht, wie amerikanisch der Norden Mexikos bereits in Los Mochis ist. Die Stadt erinnerte mich an eine hässliche, amerikanische Kleinstadt, umgeben von Wüste. Geografisch gesehen liegt sie genau vor der Südküste Baja Californias. Selbst im Januar, unserer Reisezeit, sind es hier über vierzig Grad im Schatten.
Um sechs Uhr morgens fährt der Chepe bereits in Los Mochis am Bahnhof ab. In völliger Dunkelheit. Zu sehen gibt es auf diesem Teil der Strecke aber sowieso noch nicht viel.
2. El Fuerte
Je näher Du dem Canyon und der berühmten Kupferschlucht kommst, desto mehr nimmt das Wild West Feeling zu. Wir machten keinen Halt in El Fuerte, saßen aber ab dieser Station nur noch auf dem kleinen Balkon zwischen den Zugabteilen und genossen die Aussicht. Der Zug fährt durch gefühlte fünf Klimazonen, teils durch Kiefernwälder, dann wieder durch eine Schlucht, schneebedeckte Berge und heiße Kleinstädte. Durch die kurvige Strecke sahen wir immer den hinteren Teil unserer Dampflok, der sich vorbei an Flüssen und durch Gebirge schlängelte.
3. Bahuichivo: Mit dem Bus nach Urique
Unseren ersten Halt mit dem Copper Canyon Zug, machten wir in Bahuichivo. Erstens, weil der Name sehr exotisch klang und zweitens, weil wir von dort aus weiter nach Urique fahren und dort die Nacht verbringen wollten. Von Los Mochis nach Bahuichivo brauchten wir knappe fünf Stunden und erreichten gegen Mittag den Bahnhof. Wer möchte, kann auch die gesamte 16-stündige Strecke von Los Mochis bis Chihuahua an einem Tag fahren.
In Bahuichivo selbst gab es wie erwartet nichts. Da der Bus nach Urique erst vier Stunden später fuhr, hatten wir genügend Zeit, einmal durch jede der drei Straßen des Ortes zu laufen. Nach Urique sollte es dann angeblich fünf Stunden dauern, was sich keiner von uns erklären konnte, da die Entfernung noch nicht einmal 100 Kilometer betrug, aber es stimmte. Es ging nämlich einmal rundherum um den Canyon, extrem steil bergab und immer mit zwei Reifen am Abgrund. Die ersten paar Male, bei denen uns ein Auto entgegenkam, war ich fest davon überzeugt, dass wir abstürzen. Schreien wäre aber peinlich gewesen. Es saßen ja nur Mexikaner im Bus, die die Strecke schon hundert Mal gefahren sind und ich wollte nicht jedes Touristen-Klischee bestätigen. Stattdessen konzentrierten wir uns lieber auf die Aussicht, die wie immer spektakulär war.
Von unten, in Urique angekommen, war der Blick fast noch besser. Wir befanden uns direkt am Fuß des Canyons. Hier gab es nur den Fluss, ein paar Häuser und einen der schönsten Sternenhimmel, eingerahmt in den Canyon. Wir fanden nur ein einziges Hostel, etwas außerhalb des Ortes, in dem wir die einzigen Gäste waren. Der Besitzer sah nicht so aus, als ob er damit gerechnet hätte, dass hier überhaupt jemals jemand auftaucht. Urique ist wohl keine Hauptattraktion im Reiseführer. Bekannt ist es vor allem für seine Ultramarathons die jedes Jahr im Januar, zu Ehren der Tarahumaras (Ureinwohner im Norden Mexikos) stattfinden und bei denen inzwischen bis zu 800 internationale Athleten und Tarahumaras mitlaufen.
4. Divisadero / Posada Barrancas: Die Kupferschlucht
Wir hatten uns schon vorher dafür entschieden, am nächsten Morgen wieder abzureisen, um mehr Zeit bei unserem zweiten Stop in Creel zu haben. Also ging es den Canyon wieder hoch und rein in den Zug.
Divisadero ist der einzige Halt, an dem Du für eine Stunde aussteigen kannst, ohne einen eigentlichen Stopp zu haben. An jeder anderen Station hast Du erst am nächsten Tag wieder die Möglichkeit weiterzufahren, nachdem Du einmal draußen bist. Bei Divisadero aber gibt es einen Fotostopp, bei dem jeder im Zug von der Aussichtsplattform aus einen Blick auf Kupferschlucht werfen kann. Von diesem Punkt hast Du angeblich den besten Blick auf den schönsten Teil der Schlucht.
Wer länger bleiben möchte, für den gibt es hier eine Seilbahn über die Schlucht, Ziplining und eine Art Vergnügungspark direkt am Copper Canyon. Das Ganze ist allerdings sehr touristisch und für mexikanische Verhältnisse völlig überteuert.
5. Creel: Reiten im Tal der Pilze
Das „Pueblo mágico“ Creel machte seinem Namen dann alle Ehre. Die gemütliche Kleinstadt war völlig zugeschneit. Es war das erste Mal, dass ich Schnee in Mexiko sah. In weiser Voraussicht hatten wir uns ein Hotel mit Kamin im Zimmer ausgesucht, da wir für dieses Wetter absolut nicht gerüstet waren.
Einen Ritt durch das Valle de Hongos, das Tal der Pilze, wollten wir uns trotzdem nicht entgehen lassen. Unser Hotelbesitzer hatte selbst einen kleinen Stall und bot uns immerhin Regencapes für den vierstündigen Ritt an. Auch wenn ich nach wenigen Minuten vor Kälte kein Körperteil mehr spüren konnte, machte die karge Landschaft hoch zu Ross wieder einmal alles wett.
6. Cuauhtémoc: Treffen mit Mennoniten
Eigentlich war der Plan, auch noch in Cuathémoc anzuhalten, um ein besonderes blondes, blauäugiges Volk zu besuchen, das dort seit Jahrhunderten in einer Art Amish Gemeinde lebt und einen Mix aus Plattdeutsch und Holländisch spricht, aber es kam besser.
Direkt neben uns im Zug saß einer dieser Mennoniten und sprach uns an, weil er gerne sein Deutsch üben wollte. Wir realisierten allerdings erst später im Gespräch, dass er genau von dort kam, wo wir hinfahren wollten. Er erzählte uns seine gesamte Lebensgeschichte, dass die Mennoniten ursprünglich aus Deutschland und Osteuropa nach Amerika einwanderten und bis heute in einer streng evangelischen Gemeinde, ziemlich isoliert von ihrer Außenwelt leben. Sie sprechen untereinander das Plattdeutsch des 18. Jahrhunderts. Leider erzählte er uns auch, dass es sich nicht lohnen würde, an einem Sonntag ins Dorf zu fahren, da dort alles geschlossen sein würde. Da wir aber nun sowieso schon mit einem seltenen Exemplar der Mennoniten gesprochen hatten, entschieden wir spontan, direkt weiterzufahren nach Chihuahua.
7. Chihuahua: Superbowl und Couchsurfing
In Chihuahua fiel mir wieder einmal auf, wie wenig die Städte im Norden mit dem Rest Mexikos gemeinsam haben. Dass unser Gastgeber, bei dem wir die nächsten zwei Tage Couch surften, eine Hausparty zum Superbowl am Abend veranstaltete, dürfte den Eindruck allerdings noch verstärkt haben.
Chihuahua eignet sich hervorragend, um einfach durch die Stadt zu schlendern, einzukaufen und die Architektur zu bewundern. Im groß angelegten Park der Stadt kannst Du Tretboote mieten, um über den See zu schippern oder Dich auf dem Trimmpfad auspowern.
Nützliches zum Copper Canyon Abenteuer
Los Mochis oder Chihuahua, die beiden Endpunkte des Chepe Trains, erreichst Du leicht von Mexiko-Stadt aus mit dem Flugzeug. Inlandsflüge, zu Beispiel mit der mexikanischen Fluglinie Volaris, sind in Mexiko relativ günstig und eine Strecke kostet meist um die fünfzig Euro. Die Tickets für die Zugfahrt kannst Du Dir am Tag zuvor am jeweiligen Bahnhof besorgen und Dich dort noch einmal vergewissern, wann der Zug genau abfährt. Die Züge fahren täglich, allerdings startet die zweite Klasse von Los Mochis aus nur alle zwei Tage. Du kannst beliebig oft aus und wieder zusteigen. Denk aber daran, dass Du auf den nächsten Zug mindestens 24 Stunden warten musst.